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Trauer und Dankbarkeit: Der erste Muttertag ohne Mutter

Ich weiche von meinen Plänen ab, statt Bangkoks buntes leben, heute nun ‘Trauer, der erste Muttertag ohne Mutter’. Es geht um Trauer und Dankbarkeit. Manchmal ist das Schreiben eines bestimmten Beitrags wie ein Zwang, so ist es mit diesem. Meine Finger tun auf den Tasten, was sie wollen und Trauer ist ja auch ein wichtiger Teil dieses Blogs Aufgeschoben heißt aber nicht aufgehoben, am kommenden Sonntag kommt der für heute geplante Beitrag.

Grundsätzliches zum Thema Trauer, findest du hier.

Es war einmal …

Wie war der Muttertag im Letzten Jahr? Was haben wir da gemacht? Erinnern konnte ich mich erst wieder mit Hilfe der Fotos. Zuviel ist in diesem letzten Jahr geschehen. Aber nun weiß ich es wieder, wir waren an einem wunderbaren sonnigen Tag im Tiergarten. Zu mehr war ich kaum fähig, zu der Zeit hatte meine Tochter ihre neue Stelle angetreten, mir machte mein Chef Probleme und ich war im Grunde nun allein für Mama verantwortlich. Wohlgemerkt hatte ich Josy zugeraten, der Schritt war wichtig für ihre Zukunft und wir gingen ja noch davon aus, meine Mama noch ein paar Jahre bei uns zu haben. Ab Sommer sollte Mama dann an drei Tagen in die Tagespflege, was mich hoffentlich entlasten würde und sie davor bewahren würde, den Tag allein zu bleiben. Denn fremde Hilfe zu Hause lehnte sie kategorisch ab.

Schon zu diesem Zeitpunkt war die Pflege sehr intensiv. ich stand Jede Nacht wurde ich mehrfach gerufen, es sei denn meine Tochter konnte einen ‘Nachtdienst’ übernehmen. Der Urlaub war erst ganz kurz her und ich war schon wieder erschöpft. Trotzdem, wenn ich die Augen schließe, sehe ich Mama vor dem großen Fenster im Wohnzimmer sitzen und hinausschauen und mein Herz wird ganz warm Eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen in den letzten Lebensmonaten. Vor meinem inneren Auge strahlt sie mich immer, wenn ich nach Hause komme an und sagt: “Das ist aber schön, dass du schon da bist”. Es hat sie glücklich gemacht, wenn eine von uns fort war und dann wiederkam. Manchmal frage ich mich, ob sich jemals wieder jemand so freuen wird, mich zu sehen. Wenn ich mich dann noch bereit erklärte Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelstampf zu machen, war Mamas Glück perfekt.

Es sind so schöne Erinnerungen, aber auch schmerzhafte, mein Herz will dann fast vergehen vor lauter Sehnsucht. Ein Tag, wie heute, der Muttertag, den wir immer zelebriert haben, macht es nicht einfacher und doch …

Trauer und Dankbarkeit

Neben der Trauer, die heute wieder so nach mir greift, ist da auch eine große Dankbarkeit. Meine Wut auf das Schicksal ist inzwischen verraucht, meine Mutter hat am Ende sehr gelitten und sie hatte ein langes Leben mit vielen glücklichen Stunden. Mama wurde bis zu ihrem letzten Atemzug und darüber hinaus sehr geliebt. Unendlich dankbar bin ich, dass ich diese so tolle Frau mehr als 60 Jahre an und immer auf meiner Seite wusste. Auch ich musste mich bis heute noch nicht eine Sekunde meines Lebens ungeliebt fühlen. Geht mehr? Das liegt einzig und allein, an den zwei unglaublichen Frauen in meinem Leben, meiner Mutter und meiner Tochter. Sie ist mein zweiter Grund für große Dankbarkeit. Meine Mutter hat mich stark gemacht, hat mich gelehrt einzutreten für das, woran ich glaube, hat mir beigebracht, nicht um Anerkennung zu buhlen. Auch dann etwas Gutes zu tun, wenn keine Gegenleistung oder auch nur Anerkennung zu erwarten ist. Am wichtigsten ist es aber wohl, gelernt zu haben, zu meiner Meinung zu stehen, ganz egal ob man mich dafür mag oder nicht.

Mutter und Tochter

Der Wahlspruch meiner Mutter war

Unverhofft kommt oft

(Sprichwort aus dem 17. Jahrhundert)

Wie oft ich diese drei Worte von ihr gehört habe, kann ich nicht abschätzen. Irgendwann war klar, wann immer ich diesen Satz von Mama hörte, passierte etwas aufregendes. Bis heute weiß ich nicht, ob das wirklich ihre hellseherischen Fähigkeiten, auf deren Vorhandensein sie bestand oder aber auf meine viel stärkere Wahrnehmung der kleinen und größeren Wunder des Lebens, zurückzuführen war. Auf jeden Fall traf es zu, immer.

Genau diesen Satz sagte sie auch !991, als ich mich beschwerte, dass mein Leben zum Stillstand gekommen sei. Neun Monate später war ich Mutter und mein Leben hatte sich einmal komplett um die eigene Achse gedreht. Denn es war nicht nur so, dass mir immer gesagt wurde, weder Kinder bekommen zu dürfen (mein Rücken) noch bekommen zu können (meine Sache), sondern es auch gar nicht unbedingt wollte. Als meine Kleine dann aber in meinem Armen lag, mit ihren drei roten Haaren auf dem Kopf, wusste ich, das Glück hatte zugeschlagen.

Neue Chance

Nicht viel später bot sich dann eine großartige berufliche Chance, jedoch nur, wenn meine Mutter mir zur Seite stehen würde. So war das damals noch, sie wurde tatsächlich angerufen und gefragt, ob sie bereit sein, mit uns zu gehen. Mit über 30 lebte ich wieder mit meiner Mutter in einer Art WG und wir begannen unsere gemeinsame Reise durch die Republik und das Leben.

Wir waren ein tolles 3er-Gespann, voller Zuneigung; Liebe, aber es herrschte keineswegs immer Einigkeit, dazu waren wir alle viel zu starke und temperamentvolle Persönlichkeiten. Es gab auch schlimme Kräche, die am Ende aber immer die Luft gereinigt hatten. Das was wir immer taten war Zusammenhalten und uns Liebhaben. Daher traf der Verlust uns letztes Jahr auch so schlimm, die Welt war aus ihren Angeln gehoben. Ich fühlte mich unvollständig, wie amputiert, leer.

Neun Monate später …

Es tut weh, kein schönes Frühstück bereitet, keinen Kuchen gebacken zu haben, sondern nur mit einem Blumenstrauß auf den Friedhof zu gehen. ‘Meinen’ Muttertag hatten wir letzte Woche, weil meine Tochter heute im Dienst ist. Es war auch komisch ist, heute allein den ESC zu verfolgen., der war immer unsere Schokokuss-/Chips-Orgie. Aber auch, wenn es banal und abgedroschen klingt, das Leben, ist, was du daraus machst, es geht weiter und

Unverhofft kommt noch immer oft

Hatte ich doch gedacht, in meinem Alter würde nichts mehr passieren und habe mich damit so getäuscht, wie selten. Mein Leben war schon ewig nicht mehr so bunt, so spannend, wie gerade jetzt. Ich vermisse meine Mama unendlich, bin erfüllt von Trauer und Dankbarkeit, aber ich kann mich trotzdem wieder am Heute und auf das Morgen freuen, ich mache Sachen, die ich mir nie zugetraut hätte. Die Beziehung zu meiner Tochter ist noch viel inniger geworden. Ich habe neue Freundschaften geschlossen, großartige Reisen gemacht und hatte eine unglaubliche Einladung (die ich leider, leider nicht wahrnehmen konnte). Ich habe diesen Blog mit ganz viel Freude ausgebaut und bin politisch aktiv geworden.

Mein Wahlspruch?

Alles wird gut! Und wenn es noch nicht gut ist, ist es auch nicht zu Ende!

Darum möchte ich allen, die ebenfalls einen Verlust erleiden mussten, sagen: Bitte gebt nicht auf! Das Leben hat eine neue Chance verdient. Neben aller Trauer sollte auch immer Platz für Dankbarkeit und Hoffnung sein. Es wird zwar nie wieder sein, wie es war, aber vielleicht doch anders schön?

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